Kartografie der Wolken_07

Ein Bild geht auf Reisen

Die Bilder von Koki van Trotten reisen gern. Ein Bild besonders. Kartografie der Wolken_07. Immer wieder schmuggelt es sich ins Reisegepäck. Und damit es nicht vergisst, was es schon alles gesehen hat, beschloss dieses Bild zu Pfingsten 2017 fortan Selfies zu machen. Die Gedanken zu den Selfies hat Erik Bend notiert.

 

Silvesterlauf

 

Selten wurde das Ende eines Jahres so herbeigesehnt wie 2022 - weil es die Menschen verunsicherte. Durch Krieg im übernächsten Land. Durch tägliche Preissteigerungen. Durch geschürte Ängste. Kann man solch ein Jahr einfach abschütteln? Kann ein neues Jahr das alles abwenden? Wohl kaum, aber viele glauben daran, weil sie anderes kaum noch glauben können. Halt finden - heißt die neue Herausforderung. Besinnung auf Wesentliches, auf sich selbst. Also aufbrechen ins neue Jahr mit eigener Kraftanstrengung über 10 Kilometer in eine bessere Zeit.

 

Holles Kummer

 

Die Saisonkräfte haben dieses Jahr Frau Holle im Stich gelassen. Niemand kam vorbei, dem irgendetwas in den Brunnen gefallen war. Niemand hörte das Wehklagen des Apfelbaumes: "Schüttle mich, meine Äpfel sind alle längst reif." Die Blätter machten längst sich aus dem Staub. Nur die Äpfel klammern sich noch immer an den Baum. Um Frau Holle nicht trübsinnig werden zu lassen, haben sie das Aussehen von Bratäpfeln angenommen, aber der Schein trügt. Der Backofen kam ins Schwitzen. Die meisten Brote sind verbrannt. Nur ein paar wenige, direkt an der Ofenklappe hatten noch Luft bekommen und mussten sehr teuer verkauft werden. Im Dezember raffte sich Frau Holle auf, um die Betten wenigstens mal kurz aufzuschütteln. Aber ihre Kräfte reichen nicht mehr für einen richtigen Winter. Jetzt hofft sie auf das nächste Jahr. Es kann eigentlich nur besser werden.

 

Theater am Faden

 

Sind wir nicht auch Marionetten? Wenn man sich in den Vorstellungen des Theaters am Faden verführen lässt und nur auf die Puppen und ihre Bewegungen achtet, die anscheinend selbstständig agieren, entgeht einem schnell die Sinnbildlichkeit des Marionettentheaters. Die Fäden des menschlichen Lebens sind unsichtbarer. Gesetze, Verordnungen, Erlasse als System bewirken Verhaltensweisen und Handlungen der Menschen, die nicht ihrem Willen entsprechen. Warum wird Mobilmachungen gefolgt? Warum werden Inflationen hingenommen? Warum lassen sich Mädchen und Frauen von heut auf morgen von Universitäten verbannen? Warum wird Befehlsgewalt akzeptiert? Nichts davon ist Gott gegeben. Auch die Fädenzieher des Lebens sind Menschen.

 

Marienaltar

 

Noch zu Lebzeiten von Lucas Cranach dem Älteren wurde sein Altarretabel im Naumburger Dom von Bilderstürmern zerstört. Lediglich die beiden Seitenflügel konnten gerettet werden und wurden fast 500 Jahre im Domschatz bewahrt. Anfang Juli des Jahres 2022 kam es zu seiner Auferstehung. Der Mittelteil mit der Darstellung der Gottesmutter Maria mit ihrem Kind wurde vom Leipziger Maler Michael Triegel nachempfunden und neu interpretiert. Der Marienaltar nahm für fünf Monate seinen angestammten Platz im Westchor des Domes ein. Anfang Dezember wurde er wieder abgebaut, um auf Reisen für unbestimmte Zeit zu gehen. Bis Ende Juni 2023 wird er im Diözesanmuseum Paderborn zu sehen sein. Weitere Ausstellungsorte sollen folgen. Der Denkmalschutz war gegen dieses Projekt im Naumburger Dom. In der Zeit der Wanderausstellung wollen die Vereinigten Domstifter Gespräche mit allen Beteiligten über das weitere Schicksal des Altars führen.

 

Kronach

 

Neunzig Kilometer entfernt von Nürnberg wurde Lucas Cranach der Ältere in Kronach geboren. Ein Jahr und 136 Tage nach der Geburt von Albrecht Dürer in Nürnberg. Von Dürer, der bis auf drei große Reisen nach Italien und den Niederlanden seine Heitmatstadt nicht verließ ist in Nürnberg nicht nur sein Eltern- und Wohnhaus erhalten geblieben. Cranach verließ seine Heimatstadt nach seiner Ausbildung zum Maler für immer. Sein Geburtshaus wurde 1970 unwissentlich für den Bau des neuen Kronacher Ratshauses abgerissen (im Bildhintergrund). Das 1982 zum 510. Geburstag eingeweihte Denkmal für Lucas Cranach steht zufällig am Ort seines Geburtshauses. Herausgefunden wurde das erst in den 90er Jahren.

 

Park Hotel

 

Kurz vor der Einweihung des Völkerschlachtdenkmals wurde das im Jugendstil erbaute und ausgestattete Park Hotel eröffnet. Erschwinglicher Luxus war von Beginn an das Konzept des Hauses. Eine Übernachtung im Einzelzimmer kostete 3,50 Mark inklusive Frühstück. Klingt überschaubar, lag aber über dem Tageslohn der Angestellten. Vom Kellner über die Mamsell bis hin zum Hausdiener, Zimmermädchen und den Telefonisten hatten alle einen 16stündigen Arbeitstag für maximal 3 Mark Tageslohn. Frauen wie bis heute deutlich weniger. Bei mehr als drei Krankheitstagen in Folge wurden sie gekündigt. Rauchen, Zeitungslesen, Beisammen stehen, Unterhalten und Scherze waren dem Personal untersagt. Die Fassade und der Art-Deco-Stil im Hause wurden erhalten. Entlohnung und Arbeitsbedingen der Mitarbeiter haben sich deutlich verbessert. Die Zimmerpreise variieren fast täglich und beginnen bestenfalls ab 90 Euro im Einzelzimmer ohne Frühstück. Das kostet 18 Euro pro Person. Das Park Hotel ist nach über 100 Jahren noch immer ein luxuriöses Hotel in "Klein Paris".

 

Leipziger Hauptbahnhof

 

Letztes Jahr wurde er als bester Bahnhof Europas ausgezeichnet. Der Wiener Hauptbahnhof und Londons St. Pancras belegten Plätze zwei und drei. Der größte überdachte Sackbahnhof Europas ist der Leipziger schon seit fünfundzwanzig Jahren. Ganz nebenbei ist er auch noch die größte Shopping Mall Leipzigs mit 140 Geschäften. Trotz all dieser Superlative ist er aber eins geblieben - zugig.

 

Vorbeten

 

Ist Gott gar nicht neugierig? Interessieren ihn unsere Gedanken nicht? Oder versteht die Kirche Gott nur nicht? Wieso glauben die Kirchenfürsten, dass man den Menschen etwas vorbeten muss, damit sie zum Glauben finden? Steter Tropfen höhlt den Stein - ist das die Hoffnung der Kirche? Das alte Chorbuch aus dem 16. Jahrhundert wiegt schwer und seine liturgischen Texte wurden Generationen immer und immer wieder vorgelesen. Was hat es gebracht? Kinder können es kaum ertragen, wenn ihnen immer die gleichen Vorhaltungen gemacht werden. Erwachsene scheinen es hinzunehmen oder nicht mehr hinzuhören.

 

Dunkelzeit

 

Viele Schaufenster sind nachts nicht beleuchtet um Strom zu sparen. Auf die weihnachtliche Illumination der Boulevards haben die meisten Städte nicht verzichtet. Die dunkle Zeit ist dunkler geworden.

 

Tag des Weihnachtssterns

 

Auch die Natur leistet, nicht mit Blüten, sondern mit leuchtend farbigen Hochblättern einen Beitrag für die weihnachtliche Stimmung der Menschen. Und so ist im Dezember in vielen Haushalten, nicht in allen, ein Platz für den Weihnachtsstern reserviert. Der amerikanische Kongress erklärte 1852 den 12. Dezember zum Tag des Weihnachtssterns. Seitdem ist es Tradition in Amerika an diesem Tag Freunden und Verwandten einen Weihnachtsstern zu schenken. Dieser Brauch fand keine Verbreitung in Europa. Hierzulande leuchten die Sterne bereits zu Beginn der Adventszeit, überwiegend selbst gekauft.

 

Archivkunde

 

Deutschland ohne Vorschriften ist wie Salzkartoffeln ohne Salz. So ist auch jedwede Form von Archivierung durch Verordnungen geregelt. Wer muss ein Archiv anlegen, wer darf, wie lange muss was aufbewahrt werden. Wer hat Zugriff auf was im Archiv, warum und wieso usw. usf. Eine Wissenschaft für sich. Die gibt es tatsächlich. In Potsdam kann Archivwissenschaft sogar über sechs Semester mit Masterabschluss studiert werden. Erstaunlich, dass trotz dieser "Wertschätzung" die meisten Archive in Kellern oder auf Dachböden zu finden sind, wie zum Beispiel das Stadtarchiv von Häslach.

 

Warntag

 

Erschrecken Sie nicht, wenn am 8. Dezember die Sirenen heulen. Ist nicht ernst gemeint, ist nur Warntag in Deutschland. Und die paar Sirenen, die es noch gibt, werden doch kaum zu hören sein. Dass Sie eine Probe-Warnmeldung an diesem Tag auf Ihrem Handy erhalten ist wahrscheinlicher. Woher der Katastrophenschutz Ihre Nummer hat? Fragen Sie nicht. Ist halt so. Alles clever durchdacht. Wenn im Ernstfall kein Strom mehr zur Verfügung steht, wird Ihr Handy auch nicht weiter belästigt. Aber das merken Sie ja dann alles selbst.

 

Frisierte Welt

 

Was kann nicht heutzutage alles frisiert werden. Motore und Schalldämpfer, Nachrichten und Statistiken, die Wahrheit und Bücher. Haare natürlich auch. Wer den Salon von Oliver Gerbert findet, etwas abseits im Stuttgarter Heusteigviertel gelegen, betritt eine andere Welt. Nicht nur in der Weihnachtszeit. Das Team strahlt eine unaufdringliche Begeisterung aus. Es fühlt sich wohl und somit auch die Kunden. Wenn Sie wissen möchten, was hinter den Kulissen in diesem Salon auch noch passiert, klicken Sie einfach auf das Bild.

 

Anmut

 

Das Wort scheint vom Aussterben bedroht zu sein. Weil das, wofür es steht, auf dem roten Teppich des Lebens kaum noch zu finden ist. Schönheit, die nicht von der Natur gegeben, sondern von der Person selbst hervorgebracht wird. Eine natürliche Schönheit, die sich für  Schiller nur in der Bewegung zeigte. Gibt es für Anmut noch Reservate im heutigen Leben? Wenige. Der Formationstanz auf dem Eis gehört dazu.

 

Lichter Moment

 

Auch die Natur kennt den lichten Moment. Wenn im trübseligsten Novemberwetter die Sonne plötzlich Klarheit schafft. Wenn das verwelkte Schilf sich seiner Kraft erinnert. Wenn das Himmelsblau fast blendet. Dann schafft dieser lichte Moment selbst im November Zuversicht.

 

Adventswald

 

Der kleine Ort Rudersberg hatte eine wundervolle Idee. In der Adventszeit verwandelt sich der Alte Rathausplatz in einen Wald mit mächtigen Tannen. Unter deren ausladenden Ästen entsteht Jahr für Jahr ein gemütlich schummriger und vor der Witterung geschützter Raum, in dem die Rudersberger und inzwischen tausende Gäste aus allen Himmelsrichtungen an den vier Adventswochenenden ein wenig vor sich hin träumen und diese einmalige Stimmung auf sich wirken lassen.

 

Skandalisierung

 

Um journalistischen "Erfolg" zu generieren (Verkaufszahlen, Einschaltquoten, Klicks etc.) wird grundsätzlich skandalisiert. Es reicht nicht aus, über die friedlichen Demonstrationen gegen den Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofs zu berichten, also erfindet der Spiegelredakteur Dirk Kurbjuweit eben den Begriff "Wutbürger" und schon werden die Proteste skandalträchtig. Egal, ob Bürger dadurch diffamiert werden, alle machen mit. Selbst die Sprachwissenschaftler haben "Wutbürger" zum "Wort des Jahres 2010" gewählt. Aber das eine Beispiel soll nicht von der grundsätzlichen Skandalisierung aller Themen durch die Medien ablenken. Es ist für die Medien so wesensimmanent, dass selbst Influencer, wenn sie denn "erfolgreich" sein wollen, sich dieser Herangehensweise nicht entziehen.

 

Naumburger Dom

 

Ein Dom ist vor allem groß und repräsentativ. 142 beherrschen heute noch die Stadtsilhouetten in ganz Deutschland. Wirklich bekannt sind die wenigsten. Fünf von ihnen gehören zum  UNESCO Weltkulturerbe. Der Dom in Hildesheim, sowie der Kölner, der Aachener, Speyerer und seit vier Jahren auch der Naumburger Dom. Ihre Aufnahme ins Weltkulturerbe verdanken sie den architektonischen Meisterleistungen ihrer Erbauer, nicht den Handlungen ihrer Hausherren.

 

In Memoriam

 

Die meisten Menschen werden nach ihrem Ableben recht schnell vergessen, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen. Deshalb erklärte König Friedrich Wilhelm III. von Preußen im Jahre 1816 den letzten Sonntag vor dem ersten Advent per Kabinettsbeschluss zum Totensonntag für Preußen. Die evangelischen Kirchen in den anderen deutschen Ländern machten sich diesen Beschluss zu eigen und so gehen bis heute Gläubige am Totensonntag auf den Friedhof, um sich an ihre Vorfahren zu erinnern. Katholiken tun dies bereits an Allerheiligen. Aber egal wann, stets begegnet man auf den Friedhöfen schon seit Jahrhunderten der Geltungssucht der Hinterbliebenen.

 

Erdfarben

 

Aus dem Weltall gesehen soll die Erde blau erscheinen. Auch im Herbst? Wenn die Natur sich in einer Erdfarbigkeit gefällt?  Wieso werden zu den Erdfarben nur Nuancen im Rot-, Gelb-, Braun- und Graubereich gezählt, wie Ocker, Rötel, Terra di Siena, Umbra, Zinnober, Kreide und Grünerde? Warum zählt Blau nicht zu den Erdfarben?

 

Nachtschicht

 

Täglich nächtlich tätig sind über drei Millionen in Deutschland. Sie haben Nachtschicht. In unterschiedlichen Abständen schubsen sie ihren Körper immer wieder in einen anderen Rhythmus. Das ist nicht gesund. Deshalb haben permanente Schichtarbeiter, wie jahrzehntelange Untersuchungen belegen, nur eine Lebenserwartung von 63 Jahren. Das sind gegenüber der durchschnittlichen Lebenserwartung 15 Jahre weniger bei den Männern und 20 Jahre bei den Frauen. Ein Dauer-Thema für die Medien? Nicht wirklich. Die "ungeheuerliche" Auswirkung der halbjährlichen Zeitverschiebung auf unser Wohlbefinden wird dafür regelmäßig malträtiert. Zumeist von denen, die zwecks Erholung im Urlaub gern mehrstündige Zeitverschiebungen auf sich nehmen.

 

Wirtschaftswechsel

 

Marktwirtschaft ist das Gegenteil von Planwirtschaft? Die Ruinen der Planwirtschaft werden auch 33 Jahre nach dem Mauerfall regelmäßig aus den Archiven geholt. Die Ruinen der Marktwirtschaft dagegen gern übersehen. Nicht zu übersehen von den Bahnreisenden ist jedoch das Textilkontor in Weißenfels. Seit 31 Jahren verfällt es im Privatbesitz. Die wechselnden Eigentümer versprechen immer nur, dass mit dem denkmalgeschützten Werk etwas geschehen wird. Irgendwie kennt man das von der Planwirtschaft.

 

Wenn Bürger wollen

 

Naumburg hat eine Straßenbahn. Seit 1892. Zuerst von einer Dampflok gezogen. Seit 1907 fährt sie elektrisch. Im April 1945 durch einen amerikanischen Bombenangriff schwer beschädigt, konnte der Betrieb im September des gleichen Jahres wieder aufgenommen werden. Erst die Wende brachte das Aus für den Linienverkehr. Auf Initiative Naumburger Bürger konnte dieser zehn Jahre später erneut aufgenommen werden. Aber die Zeit war irgendwann stehen geblieben. So nutzt der kleinste Straßenbahnbetrieb Deutschlands bis heute ausschließlich historische Fahrzeuge für den Linienverkehr in Halbstundentakt von 6 bis 20 Uhr. Mit historischem Service: die aktuelle Tageszeitung hängt zuverlässig bereits mit der ersten Fahrt am Morgen für Fahrgäste aus.

 

Novemberspaziergang

 

Die Temperaturen waren immer noch mild. Der Regen in der Nacht ließ den Wald am Tage Frische ausatmen. Die Sonne verspielte sich in den Zweigen der Bäume und gab den Farben der Blätter noch einmal Kraft. Die Zeitumstellung schien der Natur nichts auszumachen. Nur die Menschen beeilten sich früher nach Hause zu kommen.

 

Das 200. Selfie

Novemberregen

 

Er kann nicht anders. Der November erinnert an die Vergänglichkeit des Lebens. Wenn die Tropfen des Novemberregens ihren Weg gefunden haben, geben sie ihre Selbstbestimmtheit auf und werden eins mit dem großen Ganzen.

 

Welt-Internet-Tag

 

Es gibt sie noch die "Internet-Cafés", weil knapp zwanzig Prozent der Deutschen nach wie vor offline sind, also 16 Millionen. In den letzten fünf Jahren hat sich da nichts mehr verändert. Das liegt am Alter, aber nicht nur. Von den über 70-jährigen sind nicht einmal dreißig Prozent im Internet unterwegs, aber 97 Prozent der 14- bis 19-jährigen. Ehemalige Hauptschüler nutzen später zu 60 Prozent das Netz, Abiturienten dagegen zu 92 Prozent. Unverständlich, wieso Ämter und Banken viele ihrer Dienstleistungen bei diesen Zahlen nur noch im Netz anbieten. Verzichtet man bewusst auf 20 Prozent der Bevölkerung? Die "Internet-Cafés" werden deshalb noch gebraucht. Allein in Berlin sind es zurzeit noch 241. Zumeist gekoppelt mit anderen Angeboten. Der Welt-Internet-Tag erinnert an die erste Nachricht, die am 29. Oktober 1969, drei Monate nach der Mondlandung von Neil Armstrong, über das Arpanet von einem kalifornischen Universitätscomputer versendet wurde. Das Internet kam erst viele Jahre später.

 

Square Dance

 

Der Volkstanz in Deutschland ist vom Aussterben bedroht? Einige Trachtenvereine, die sich rhythmisch im Kreis bewegen gibt es zwar noch, werden aber zumeist nur bei Heimatfesten als Showeinlagen aufgehübscht präsentiert. Heimische Volkstänze im Alltag - Fehlanzeige. Gelebt wird dafür das amerikanische Brauchtum. Square Dance - der Tanz im Quadrat. Über 500 Square Dance Clubs gibt es in Deutschland, in denen man sich mindestens einmal in der Woche paarweise zum Tanzen trifft - auch im Kostüm, aber nicht zwingend. Wer gern alleine tanzen gehen möchte, den erwarten weitere 291 Line Dance Clubs und Gruppen. Getanzt wird zu Country-Dance-Musik oder Pop und Schlager. Das Bedürfnis nach Volkstanz ist also nicht verschütt gegangen, verweigert sich aber dem Althergebrachten.

 

Wilder Wein

 

Das kräftige Rot zieht im Herbst viele Blicke auf sich. Die selbstkletternde Jungfernrebe, auch wilder Wein genannt, wird in Nordamerika, von wo aus sie die Welt eroberte, als Unkraut angesehen. Weil sie ohne Pflege auskommt, stark wuchert und bis zu 30 Meter hoch ohne Hilfestellung wachsen kann. Ihre Trauben sind bei Vögeln sehr beliebt, sollten von Kleinkindern und Hunden jedoch nicht gekostet werden, um leichte Vergiftungen nicht zu riskieren.

 

Besenwirtschaft

 

Wenn der geschmückte Reisigbesen draußen steht, ist die Wirtschaft geöffnet. Die Winzer dürfen maximal vier Monate im Jahr ihre eigenen Weine im eigenen Gastraum ausschenken. Und so öffnet ein Besen zumeist im Frühjahr etwas kürzer und im Herbst nach der Weinlese etwas länger. Freunde von Besenwirtschaften haben dann Stress. Weil jeder Besen in unterschiedlichen Zeiträumen und zu unterschiedlichen Tageszeiten öffnet. So wie es dem Winzer und seiner Familie sinnvoll erscheint.

 

Farbe bekennen

 

Wenn die Tage noch warm, doch die Nächte schon kalt sind, reagieren die Bäume. Dann ist die Zeit für sie gekommen, Farbe zu bekennen. Die gelben und roten Farben dienen nach neuesten Erkenntnissen den Bäumen als Sonnenschutz. Um sich winterfertig zu machen, wird im Herbst die Nährstoffproduktion in den Blättern eingestellt. Zum Schluss werden die Blattstiele verschlossen und sind von der Wasserversorgung abgeschnitten. Das dauert ein paar Wochen.  Damit die Blätter in dieser Zeit nicht durch die noch kräftigen Sonnenstrahlen verbrennen, nehmen sie ihre Sonnenschutzfarbe an. Die Blätter verwelken erst, wenn der Baum sein Wasser mit ihnen nicht mehr teilt.

 

Wasserspiel

 

Dieser Springbrunnen ist mit allen Wassern gewaschen. Die Wasserwand zeigt Kante und ist ein Blickfang mitten in der Stadt. Kein Plätschern oder Rauschen ist zu hören. Die Tropfen sind zu fein, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Im Gegensatz zu anderen Springbrunnen ist diese Form jedoch nicht geeignet, jemanden das Wasser reichen zu können.

 

Umdeutungen

 

Einhundert Jahre nach der Völkerschlacht bei Leipzig wurde der Kollos eingeweiht. Er sollte an den opfervollen Sieg über Napoleon erinnern. 283 Tage später begann der I. Weltkrieg mit noch mehr Toten. Das dritte Reich vereinnahmte das Denkmal und nutzte es zu Vereidigungen von Soldaten für den II. Weltkrieg. In der DDR sollte es abgerissen werden, bevor man es sich anders überlegte. Von da an sollte es vom Sieg der Sowjetunion über das faschistische Deutschland künden. Seit 1957 hat das Denkmal einen eigenen Chor. Die Akustik im Denkmalsinneren ist einzigartig. Der Nachhall, insbesondere der hohen Töne kann bis zu zehn Sekunden anhalten. Nach der Wiedervereinigung wurde es ab 1992 zu einem der Veranstaltungsorte des jährlichen Wave-Gotik-Treffens in Leipzig. Bis heute. Das größte Denkmal Europas (Höhe 91 Meter) hat viele Fassetten. 

 

Bankgeheimnis

 

Was machen eigentlich Banken mit dem Geld ihrer Kunden? Sie machen daraus ein Bankgeheimnis. Trotz der immensen Auswirkungen der Finanzierungs- und Anlageaktivitäten der Banken wird nicht darüber informiert, in welche Branchen, Unternehmen und Staaten die Gelder fließen. Sie weigern sich schlicht, ihre Geschäfte offen zu legen. Viele bemühen sich in der Gesellschaft um Nachhaltigkeit, Transparenz, Klimaneutralität usw. - auch Banken? Dann müsste doch so einigen das Geld ausgehen. Anders gehandhabt wird dagegen das Bankgeheimnis, welches in den AGBs der Banken den Kunden zugesichert wird. Es ist zwar gesetzlich nicht verankert, wird aber seit 1619 in Deutschland als Gewohnheitsrecht auch bei Gerichten anerkannt. Dennoch werden zum Beispiel die Finanzämter regelmäßig über die Kontostände der Bankkunden informiert.

 

Selbstgespräche

 

Wer gern mit sich selbst spricht ist im Vorteil. Selbstgespräche strukturieren die Gedankengänge und sind beim Stressabbau behilflich. Sie führen dazu körperlich eine neue Haltung einzunehmen, aber auch sich selbst gegenüber. Dadurch werden hormonelle Prozesse angeregt, welche die Ausschüttung von Endorphinen begünstigen. So einfach kann man eigene Glückshormone produzieren.

 

Drachentag

 

Ein zusätzlicher Feiertag. Schön. Drachen steigen zu lassen ist eine Möglichkeit den 32. Tag der deutschen Einheit zu begehen. Inzwischen wächst die zweite Generation heran, die eine Teilung nicht erleben musste. Trotzdem war diese lange Zeit nicht ausreichend, Einheit herzustellen. Die Preise waren sehr schnell vereinheitlicht. Aber in der Bekleidungsindustrie verdient ein Beschäftigter auch im Jahr 2022 im Westen noch immer 73 Prozent mehr als einer im Osten. Ein Extrembeispiel. Für alle trifft zu, man verdient im Westen 24.7 Prozent mehr als im Osten. Braucht es weitere Erklärungen für die "Ostflucht" in der Einheit?

 

30. September 2022

 

In Deutschland starb an diesem Tag der 150.000. Mensch an Corona. Uninteressant für die Medien, nichtsdestotrotz werden tagtäglich nach wie vor über 100 Corona-Tote im Land in die Statistik aufgenommen. Die Siebentagesinzidenz lag bei 466,5 an diesem Tag, obwohl nur noch PCR-Teste gezählt werden. Dafür ist jetzt von Dunkelziffern die Rede. Was wurde gestritten und gezankt, als der Inzidenzwert um 100 schwankte. Die schnell in die Landschaft geklotzten Testzentren sind verweist. Haben die Betreiber reich gemacht, Da kann man schon mal Patientenliege, Heizpilz, Tische, Bänke, Schränke unbeaufsichtigt zurücklassen. Erspart Entsorgungskosten.

 

Fotoatelier von 1889

 

Hermann Hesse saß auf diesem Stuhl und ließ sich von Otto Hofmann fotografieren. Der hatte sein Tageslichtatelier sehr weitsichtig bauen lassen. Durch großflächige Verglasungen von Wand- und Deckenflächen auf der Nordseite des Hauses, konnte der Berufsfotograf das Tageslicht optimal nutzen. 63 Jahre nach der Erfindung der Fotografie, das erste Foto brauchte eine Belichtungszeit von acht Stunden, war ein Besuch in diesem Studio für alle die sich trauten ein unvergeßliches Erlebnis. Man musste nur noch Minuten stillsetzen und vor allem nicht blinzeln, wenn es hieß: Bitte nicht lächeln!

 

Petite Notre-Dame 

 

Auf einer Halbinsel im Feuersee wurde die Johanneskirche im Stuttgarter Westen in nur elf Jahren erbaut und 1876 geweiht. Zerstört im II. Weltkrieg musste sie nach ihrem Wiederaufbau als Mahnung auf Ihre hohe Turmspitze verzichten. Über dem Glockenstuhl befindet sich jetzt eine Aussichtsplattform.

 

Minderheitenkabinett

 

Mehr als die Hälfte der Deutschen betritt keine Buchhandlung. Warum auch, sie lesen nicht. Die Anzahl der Nichtleser ist seit zwanzig Jahren stabil. Die sozialen Medien trifft also keine Schuld. Im Land der Dichter und Denker war die Leselust schon vor der Digitalisierung des Lebens für die Mehrheit abhanden gekommen. Beunruhigend ist der Gedanke, dass Leser keine Mehrheit hätten, in Deutschland eine Regierung zu stellen. 

 

Der Augenblick

 

Aus den Wolken muss es fallen,

aus der Götter Schoß, das Glück,

und der mächtigste von allen

Herrschern ist der Augenblick.

(Friedrich Schiller)

 

Vom Schiller-Nationalmuseum in Marbach kann man den Blick ins weite Land schweifen lassen. Wie der Blick ausfällt, das entscheidet jedoch der Augenblick. In einer kurzen Pause, die sich der Herbstregen erlaubte, hatte der Ausblick etwas schweres mit Hoffnungsschimmer in der Ferne. 

 

Streetart

 

Unter Streetart versteht man individuell angebrachte Zeichen aller Art im urbanen Raum, die mit einem weiteren Personenkreis kommunizieren wollen. Wenn das die Definition ist, dachte 07, waren die Höhlenzeichnungen der Urmenschen also die ersten Streetart Objekte. 

 

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© Robert Mühlheim