Was wird zu Silvester gefeiert? Der Jahreswechsel? Noch vor 438 Jahren endete ein Jahr am 24. Dezember. Das war durch Menschen so festgelegt. Erst 1582 entschieden wiederum Menschen, dass ein Jahr nun am 31. Dezember endet. Nach dieser Festlegung wurde Henri Matisse an einem Silvestertag geboren.

 

zum 150. Geburtstag

Matisse’ Unterschrift

      31.12.1869 - 3.11.1954

Es sind vor allem die, die nichts von Bestand hinterlassen, sich zu ihren Lebzeiten aber das Recht herausnehmen, über andere in aller Öffentlichkeit drastisch zu urteilen. Kunststudenten in New York verbrannten Kopien von Matisse-Bildern aus Protest, weil sie seine Kunst für abartig hielten. Besucher einer Ausstellung im Salon d'Autonomne in Paris erklärten ihn für Geisteskrank. Von den sogenannten Kunstverständigen erntete er nur Hohn und Spott. Zum Teil waren es dieselben, die ihn Jahrzehnte später als großen Künstler feierten.

Henri Matisse wurde zum Wegbereiter für fast alle, die nach ihm kamen. Die Künstler der "Brücke", des "Blauen Reiter" und die "Abstrakten" im Allgemeinen. Dabei verstieß Matisse gegen jede Klischeevorstellung. Er hatte die Ausstrahlung eines Künstlers, der die Welt auf Distanz hält. Sein selbstsicheres Auftreten hatte den Habitus eines deutschen Professors, der nicht für oder gegen aktuelle Zeitströme kämpft, sondern Kontinuität von Kunst und Leben anstrebt. Trotz seiner dozierenden Art war er beliebt, weil er keine Rezepte vermittelte.

Krankheiten hatten großen Einfluss auf Matisses Leben. Mit 20 Jahren musste er am Blinddarm

mehrfach operiert werden. War durch die Folgen ein Jahr ans Bett gefesselt. 1890 war das noch eine lebensgefährdende Krankheit. Matisse entdeckte in dieser Zeit für sich die Malerei.

Er bewarb sich an der Ecole des Beaux-Arts in Paris. Die Aufnahmeprüfung  bestand er nicht. Versuchte es ein Jahr später erneut. Ohne Erfolg. Beim dritten Anlauf wurde er genommen.

Nach 41 Jahren Ehe ließ sich Amélie scheiden. Vielleicht um ihn zu schützen. Sie engagierte sich während des II. Weltkriegs im Widerstand. Wurde verhaftet, die Tochter verschleppt. 

Wenn ich arbeite, versuche ich nie zu denken, nur zu fühlen."

Es wird sich nicht mehr klären lassen, ob es Matisse oder Picasso aussprach: "Wir müssen so viel wie möglich miteinander sprechen. Wenn einer von uns stirbt, wird es Dinge geben, über die der andere mit niemand wird sprechen können." Gedacht und gesehen wurde es von beiden so.

1906 lernte Matisse Picasso kennen. Der war elf Jahre jünger. Die Freundschaft hielt ein Leben lang, obwohl sich beide als Rivalen sahen. Ihre Beziehung nannte Matisse spielerisch "Boxkampf".

Er liebte Katzen und weiße Tauben. Schenkte die Tiere vor seinem Tod dem Freund. Eine seiner Tauben wurde weltberühmt, Stand Picasso Modell. Für seine weiße Friedenstaube.

Es war wieder eine Krankheit, die ihn zur Veränderung zwang. In den letzten 17 Jahren seines Lebens beschäftigte sich Henri Matisse intensiv mit Schere und Papier. Trotz seiner Magenkrebserkrankung schuf er Scherenschnitte voller Farbigkeit und Lebensfreude. Auf den Rollstuhl angewiesen arbeitete er im Bett. "Wenn ich länger leben würde, könnte ich weiter malen." Henri Matisse wurde 84 Jahre alt.

"Ein Matisse-Bild, das dringt sofort in unseren Kopf ein. Wenn Sie das einmal gesehen haben, das vergessen Sie nicht, das können Sie auch danach gut beschreiben, hat aber die Gefahr immer des Dekorativen und des Eindeutigen..." (Felix Krämer, Kurator)

Tanz, 1910, Öl auf Leinwand, 260 x 391 cm

Vom Unverständnis der Rezensenten

Nun hat er es schon vorgesagt. Wörtlich: "When I put down a green, it doesn't mean grass; and when I put down a blue, it doesn't mean the sky." (Henri Matisse)

Trotzdem hat es sich nicht rumgesprochen. Bis zum heutigen Tage werden zum Beispiel dem Gemälde "Tanz" in Rezensionen Himmel und Wiese zugeordnet.

 

Tanz I, 1909, Öl auf Leinwand, 259,7 x 390,1 cm

 

Das MoMA in New York, welches die Vorstufe des Gemäldes (Tanz I) besitzt, beschreibt es wie folgt: "Tatsächlich verwendete Matisse auf dieser monumentalen Leinwand nur vier naturalistische Farben; Blau für den Himmel, Grün für den Boden und Schwarz und Hellrosa für die Wiedergabe der fünf Figuren."

 

Über das Werk selbst heißt es bei art & meditation: "Blau der Hintergrund, grün der Rasenhügel, ocker rot die Tanzenden. Tief blau ist der Himmel, grün die Erde, fleischfarben der Tanz. Ruhiges Blau im Hintergrund, unruhige Graslinie (gibt unter dem stampfenden Fuß nach), aggressives Rot vorne im Tanzkreis."

 

Im Online-Magazin "Mahagoni" findet man in einer Rezension dieses Bildes den Satz: "Außer einem Himmel, einem Hügel und fünf nackten Tanzenden teils unbestimmten Geschlechts ist hier nichts zu sehen."

 

Und auch bei Wikipedia heißt es: "Die Urfassung Tanz I weist Rosa für die Körper statt Rot auf, Himmelblau statt Ultramarinblau für den Himmel, und Veronesergrün statt Smaragdgrün für den Rasen."

 

Matisse zitiert

 

"Mein Traum ist eine Kunst voll Gleichgewicht, Reinheit, Ruhe ohne beunruhigende, die Aufmerksamkeit beanspruchende Sujets, eine Kunst, die für jeden geistig Arbeitenden, wie für den Künstler, ein Linderungsmittel ist, ein geistiges Beruhigungsmittel, das seine Seele milde glättet, ihm eine Beruhigung von den Mühen des Tages und von seiner Arbeit bedeutet." (1908)

 

"Der Maler braucht sich nicht mehr um kleinliche Einzelheiten zu bemühen, dafür ist die Photographie da, die es viel besser und schneller macht. - Es ist nicht mehr Sache der Malerei, Ereignisse aus der Geschichte darzustellen; die findet man in Büchern. Wir haben von der Malerei eine höhere Meinung. Sie dient dem Künstler dazu, seine inneren Visionen auszudrücken." (1909)

 

"Bei einer richtigen Grundeinstellung würde sich erweisen, dass man nicht minder logisch vorgeht, wenn man ein Bild macht, wie wenn man ein Haus baut. Mit der menschlichen Seite soll man sich nicht beschäftigen, man hat sie oder man hat sie nicht." (1939)

 

"Ein neues Bild soll ein einmaliges Ereignis sein, eine Geburt, die das Weltbild, wie es der Menschengeist erfasst, um eine neue Form bereichert. - Das Glück aus sich selbst schöpfen, aus einem reichen Arbeitstag und der Erhellung, die er in den Nebel um uns herum hineintragen konnte! - Glücklich sind jene, die aus vollem und aufrichtigen Herzen singen können." (1947)

 

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© Robert Mühlheim