Kartografie der Wolken_07

Ein Bild geht auf Reisen

Die Bilder von Koki van Trotten reisen gern. Ein Bild besonders. Kartografie der Wolken_07. Immer wieder schmuggelt es sich ins Reisegepäck. Und damit es nicht vergisst, was es schon alles gesehen hat, beschloss dieses Bild zu Pfingsten 2017 fortan Selfies zu machen. Die Gedanken zu den Selfies hat Erik Bend notiert.

 

Pfahlbauten

 

Die Anfänge Venedigs werden im 6. Jahrhundert v. Chr. vermutet. Die ersten Pfahlbauten am Bodensee stammen aus der Jungsteinzeit. Als die Jäger und Sammler dazu übergingen sesshaft zu werden. Warum sie im Wasser auf bis zu fünf Meter langen Holzstämmen ihre Hütten bauten wird wohl ein Rätsel bleiben. Vermutungen sind zahlreich vorhanden. Beweise bisher nicht gefunden. Der Einzelne zählte damals wenig. Man lebte zusammen und vom Zusammenhalt. Und so entstanden ganze Siedlungen aus Pfahlwerk. Von außen mit einer Lehmschicht verkleidet und mit Stroh, Rinden und Reisig bedeckt. Kartografie der Wolken_07 sah immer wieder auf die schrägen Dächer. Aus der Jungsteinzeit. Erstaunlich, dachte 07, was der Mensch auch ohne großes Wissen durch Nachdenken erkennen kann. 

 

Villa Zundel

 

Dieses Haus in Sillenbuch, damals noch jottwede gelegen, entwarf der Maler Friedrich Zundel. 1903 zog er mit seiner Ehefrau ein. Vierundzwanzig Jahre war es für beide der Lebensmittelpunkt. Seine Frau war achtzehn Jahre älter und bekannter als er. Clara Zetkin war zu Ihren Lebzeiten eine Institution. Die Freundin Rosa Luxemburg ging ein und aus in diesem Haus. Kautzky, Bebel und Liebknecht waren häufig zu Gast. Selbst Lenin besuchte die Hausherrin. Vor ihrem 70. Geburtstag ließ Zundel sich scheiden. Er war damals 52 und heiratete noch im selben Jahr die 14 Jahre jüngere Paula Bosch. Häuser sind diskret, dachte Kartografie der Wolken_07. Wenn sie nicht zum Museum mutieren, kommt ihnen nichts über die Haustürschwelle. 

 

Landleben

 

Man trifft sich am Brunnen und nicht vor dem Supermarkt. Und wohin man auch schaut, nichts ist besprüht. Knapp die Hälfte aller Deutschen träumt vom Leben auf dem Land. Drei Viertel jedoch leben in Städten und Ballungszentren. Die Sehnsucht nach einem Leben mit der Natur kann kein Stadtpark beschwichtigen. Es muss ja nicht das kleinste Dorf sein. Aber das Flüsschen Weißach vorm Rathaus hat auch Kartografie der Wolken_07 gefallen.

 

Verlassen

 

Viele große Industrieanlagen dienen und dienten der direkten Ausbeutung der Natur. Wenn die Arbeiten dann eingestellt werden bleibt vieles stehen und liegen. Kartografie der Wolken_07 fragte sich: Warum müssen Eigentümer dieser großen Anlagen nicht nach der Einstellung der Produktion ihre ehemaligen Werkstätten wieder besenrein der Natur übergeben?

 

Kornland

 

Die Stadtmenschen haben es nicht einmal bemerkt. Die Getreideernte ist vorbei. Das Korn schon eingefahren und die Strohballen wissen noch nicht wohin die Reise geht. Die Bauern lassen heutzutage mähen. Durch Lohnunternehmer. Die Anschaffung eigener Mähdrescher wäre für die meisten Bauern unerschwinglich. Kartografie der Wolken_07 spürte das Unbehagen der staubtrockenen Äcker nicht zu wissen, welche Pflanzen demnächst auf ihnen ansässig werden.

 

Assimilation

 

Ashanti ist ein deutsches Kamel mit Migrationshintergrund. Genauer gesagt ein Dromedarhengst. Kamele sind auch Lamas, Alpakas oder Trampeltiere. Ashanti wurde 2001 in Deutschland geboren. Er kennt nur das Klima von Deutschland. Heiße Tage, also über 30 Grad im Schatten, hat er in seinen neunzehn Lebensjahren 195-mal erlebt. Davon 55 in den letzten drei Jahren. Hitze ist für Ashanti immer noch gewöhnungsbedürftig, also teilte er den Platz im Schatten mit Kartografie der Wolken_07.

 

Schwingungen

 

Die Menschen wollten schon immer ans andere Ufer. (Aus Neugier? Bestimmt. Aber warum trockenen Fußes?) Also bauten die Menschen schon Brücken, als sie das Wort dafür noch nicht gefunden hatten. In der Steinzeit schon. Da waren es Baumstämme, die als „Brücke“ platziert wurden. Aus der Bronzezeit wurden Brückenpfeiler in der Themse gefunden. Die ersten Hängebrücken waren Seilbrücken in den Gebirgen Ostasiens und Südamerikas über reißenden Flüssen. Die erste eiserne Kettenhängebrücke wurde 1430 im Tibet gebaut. In Europa kam man nicht auf die Idee. Das Knowhow holte man sich 200 Jahre später von den Chinesen. Kartografie der Wolken_07 schaute den Schwingungen der Brücke nach. Jede Hängebrücke schwingt in sich. 

 

Die Brücke am Fluss

 

Kartografie der Wolken_07 besuchte die Geburtsstadt Hölderlins und verliebte sich ein bisschen in die alte Neckarbrücke. Vor 550 Jahren wurde sie in Fronarbeit aus Stein erbaut. Ein Hochwasser des Neckars zerstörte sie Jahrzehnte später. Der Wiederaufbau dauerte drei Jahre. Seitdem widerstand sie allen Naturgewalten. Nur die Menschen beschädigten sie mit Absicht in Kriegen. Friedrich Hölderlin ist als kleines Kind über diese Brücke in Lauffen mitgelaufen, wenn die Mutter zum Markt musste, auf der anderen Seite des Flusses. Zu seiner Zeit war der mittlere Pfeiler der Brücke abgerissen, ersetzt durch eine Hängebrücke, die in Kriegszeiten schnell zerstört werden konnte. Erst seit 1810 ist sie wieder komplett aus Stein und war seitdem den Menschen mit immer wieder neuen Fahrzeugen behilflich, den Neckar zu überqueren. 

 

La belle gare

 

Wer fährt schon zum Bahnhof, des Bahnhofs wegen. Kartografie der Wolken_07 tat es. Im Vorbeifahren hatte es die Station wahrgenommen. Bäume auf einem Bahnhof! Anderntags machte sich 07 auf den Weg. Vielleicht sind es die Bäume, die den Bahnhof Ruhbank bisher vor den üblichen Schmierereien bewahrt haben.

 

Draufsicht

 

Die Klostermauern waren vormals höher. Respekteinflößender. Wehrhafter – nach innen und außen. Gottgefälliges Leben im Verborgenen – warum eigentlich? Weil das Leben im Verborgenen gar nicht so gottgefällig war? Viele überlieferte Aufzeichnungen von Mönchen und Nonnen scheinen diese Vermutung zu bestätigen. In Deutschland sind über 2.300 Klöster erhalten, nur selten noch als Kloster genutzt. Kartografie der Wolken_07 wundert sich deshalb nicht mehr, wenn es bei seinen Wanderungen immer wieder ein Kloster entdeckt. 

 

Gedankenverloren

 

„Blicke in die schöne Natur und beruhige dein Gemüt über das Müssende.“

Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)  

 

Der Blautopf

 

Die Natur kann nicht anders. Stetige Veränderung ist ihr Wesen. Deshalb liebt sie den Moment. Weil sie weiß, dass der nächste schon wieder anders, verändert sein wird. Irgendwo zwischen Kommen und Gehen. Die Natur hat nur ganz wenige Ausnahmen zu bieten. Eine davon ist der Blautopf. Die Quelle des Flüsschens Blau, welches sich beeilt, nach 22 Kilometern in die Donau zu fließen. Das Wasser des Blautopfs ist immer blau. Seit Jahrtausenden. Egal ob es regnet, schneit oder die Sonne scheint und sich ein paar Wolken im Blau des Wassers spiegeln. Kartografie der Wolken_07 wollte dieses Blau erleben. Blieb über eine Stunde an der Quelle und genoss den Moment.

 

Augustus

 

Nach ihm wurde der Monat August benannt. Die Republikaner im römischen Senat wählten ihn zum Nachfolger Caesars. Zugegeben: er hatte seine Wahl mit ein paar Tausend Soldaten in Rom unterstützt. Er bedankte sich auf seine Art und machte aus dem Römischen Reich eine Monarchie. Die Geschichten, die er über sich in aller Welt verbreiten ließ, wurden zwar in Stein gehauen, entsprachen aber nicht ganz der Wahrheit. Fakenews würde man heute sagen. Kartografie der Wolken_07 kam das irgendwie bekannt vor, aber 07 erinnerte sich an eine Erkenntnis der Menschen: Geschichte wiederholt sich nie! Jedenfalls nicht eins zu eins. Der erste römische Kaiser lebte, als in seinem Reich Jesus geboren wurde. Was soll das wird er sich gefragt haben. Ich bin doch Gott. Vor zweitausend Jahren wäre dieses Selfie eine Majestätsbeleidigung gewesen. Aber man weiß ja nie. Der Monat August heißt noch immer August.

 

Schiller

 

An sein Geburtshaus in Marbach konnte sich Friedrich Schiller später nicht mehr erinnern. Zum Glück. Seine Mutter bewohnte mit Christophine, Schillers älterer Schwester, ein zwölf Quadratmeter großes Zimmer im Erdgeschoß, mit Küchennutzung beim Hausherrn, als Friedrich auch noch in diesem Zimmer geboren wurde. Der Vater war Arzt beim Militär und kam vorbei, wenn ihm Urlaub gewährt wurde. Zwangsläufig war die Mutter alleinerziehend. Erst in Lorch, nach dem Wegzug aus Marbach, lernte Schiller als vierjähriger ein Familienleben kennen. Schiller hat seinen Geburtsort nie wieder besucht. Zum 100. Geburtstag Schillers 1859 wurde das Haus als Museum eröffnet. Selbst Queen Elisabeth II. besuchte es. Aus Versehen. Sie wollte eigentlich das Gestüt Marbach in Gomadingen besuchen, über 100 Kilometer entfernt. Kartografie der Wolken_07 hatte sich nicht verlaufen.

 

Hölderlin

 

Wie mag es ausgesehen haben, das Leben, als Hölderlin vor 200 Jahren aus seinem Turmfenster im ersten Stock sah. Was hat er noch wahrgenommen vom Leben seiner Zeit in der zweiten Hälfte seines eigenen Lebens? 36 Jahre und 35 Tage war das Turmzimmer im Hause des Tischlers Ernst Zimmer Hölderlins Lebensraum. Der Tischler hatte den WahnSinnigen aufgenommen, weil er ein Bewunderer von Hölderlins Hyperion war. Die Familie des Tischlers pflegte den Kranken in all den Jahren. Friedrich Hölderlin hatte die Geburt von Lotte, der Tochter des Tischlers im Hause miterlebt. Mit 25 Jahren erbte Lotte vom Vater den Dichter und kümmerte sich fürsorglich um Hölderlin bis zu dessen Tod. Friedrich Hölderlin muss der Familie Zimmer sehr dankbar gewesen sein. Kartografie der Wolken_07 hatte vor seiner Reise nach Tübingen ein Zitat von Hölderlin entdeckt: Je älter und stiller man in der Welt wird, umso fester und froher hält man sich an erprüfte Gemüter. Und das ist auch ganz notwendig, denn das, was man hat, versteht und ermisst man erst recht, wenn man sieht, wie wenig manches andere ist.

 

Holzweg

 

Kartografie der Wolken_07 war einem Weg gefolgt, der für sich beschlossen hatte, sich irgendwann zu verlieren. Nicht ziellos, aber auch nicht weiterführend. Ein Holzweg eben. Als 07 am Rande dieses Weges die gefällten Baumstämme bemerkte, entdeckte es für sich den Ursprung einer Weisheit der Menschen. Wer sich auf dem Holzweg befindet benimmt sich häufig auch noch wie die Axt im Walde.

 

Am Ulmer Münster

 

Der höchste Kirchturm der Welt passte nicht ganz aufs Foto. Man könnte ihn wieder besteigen. Aber 768 Stufen mit Maske? Kartografie der Wolken_07 musste nicht auf Abstände achten. Der Platz vor dem Münster war fast menschenleer am Pfingstsonntag.

 

SeeGang

 

"Ich habe mir meine besten Gedanken ergangen und kenne keinen Kummer,

den man nicht weggehen kann."

 (Søren Kierkegaard, dänischer Philosoph, Wegbereiter der Existenzphilosophie, 1813 – 1855)

 

Weit weg

 

Kartografie der Wolken_07 hatte genug vom Palaver der Möbel, mit denen es sich das Zimmer teilt. Es wollte raus. Ohne Ziel. Nur möglichst weit weg. Also ging 07 in den nahe gelegenen Wald. Nahm Platz auf seiner Lieblingsbank und ließ die Gedanken weiter laufen. Manchmal liegt weit weg um die Ecke.

 

Stille

 

Kann die Natur sich irren? Nein. Sie behauptet ja nichts. Sie ermöglicht Leben und sein Vergehen und erträgt das Geschnatter der zänkischen Spezies Mensch. Diese Spezies hat sich breit gemacht in der Natur. Obwohl nur eine Art von über zwei Millionen Lebensarten. So viele hat zumindest der Mensch bisher entdeckt und er weiß nicht alles. Über Wissen lässt sich schwerlich streiten. Also behauptet der Mensch gern etwas. Mitunter das Blaue vom Himmel.

Es war sommerlich warm. Und Kartografie der Wolken_07 genoss gemeinsam mit der Natur die Stille der geschlossenen Freibäder der Menschen.

 

Streuobstwiese

 

Ohne Streuobstwiesen hätten der Steinkauz, der Grünsprecht und der Wendehals kein Zuhause mehr. Hier wachsen die Bäume auf deren Früchte die Römer nicht verzichten wollten und mitbrachten, als sie Mitteleuropa beherrschten. Äpfel, Birnen, Pflaumen, Kirschen. Kartografie der Woken_07 sonnte sich ein wenig unter der Blütenpracht und freute sich schon auf den Juni. Da sind die ersten Kirschen reif.

 

Gipfelgespräch

 

Von oben sieht man zwangsläufig herab. Der Blick ins Unendliche verspricht wenig Abwechslung. Alles erscheint winzig klein. Und winzig Kleines ist nicht mehr wahrnehmbar. Beispielsweise Blaumeisen. So ist dem Berg entgangen, dass in den letzten zwei Wochen in Deutschland über 26.000 Blaumeisen gestorben sind. Gestorben an einer Lungenentzündung. Verursacht durch ein Bakterium namens "Suttonella ornithocola". Das hat sich bereits seit 2018 in Deutschland eingenistet. Kartografie der Wolken_07 erzählte dem Berg vom Schicksal seiner kleinen Freunde. Der Berg seufzte und richteten seinen Blick ins Unendliche.

 

Systemrelevanz

 

Wenn viele Säulen den Eindruck erwecken ein Dach zu tragen, so sind unter ihnen auch viele Wichtigtuer. Systemrelevant, also unverzichtbar, sind nur die Trägersäulen. Die tragen die ganze Last. Bei Säulen ist es auch nicht anders als bei den Menschen, dachte Kartografie der Wolken_07.

 

Kleine Freude

 

Jede Freude wird größer, wenn man sie teilen kann. Wildwachsende Osterglocken sind nur selten zu finden. Deshalb stehen sie auch unter Naturschutz. Kartografie der Wolken_07 freute sich, als es die Hügelwiese mit dem Ostergruß der Natur entdeckte. Aber weit und breit war niemand mit dem es seine Freude hätte teilen können. So freute sich 07 eben allein und es blieb bei einer kleinen Freude.

 

Selbstvergessenheit

 

Kartografie der Wolken_07 sucht die Gesellschaft von Bäumen. Alte Bäume haben es 07 besonders angetan. An ihren Stämmen fühlt es sich geborgen und glücklich. Auch das hat 07 von den Menschen gelernt: Der Mensch fühlt sich besonders glücklich, wenn er etwas so gern tut, dass er dabei vergisst, wer er ist. In diesen Zustand der Selbstvergessenheit gerät man aber nicht, wenn man darüber nachdenkt, wie man glücklich werden könnte.

 

Kein Blatt vorm Mund

 

Die Menschen gehen sich jetzt aus dem Weg. Viele haben sich etwas vor den Mund gehängt. Kartografie der Wolken_07 wollte auch ein Blatt vor den Mund nehmen. Aber es gab keine Blätter.

 

Murphys Gesetz

 

"Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu erledigen, und eine davon in einer Katastrophe endet oder sonst wie unerwünschte Konsequenzen nach sich zieht, dann wird es jemand genauso machen." (Edward A. Murphy)

 

Frühlingstemperaturen lockten vor dem Kalendarischen Frühlinganfang. Kartografie der Wolken_07 ging allein an die frische Luft. 07 war allein allein. Alle anderen, denen es begegnete tummelten sich in Gruppen in der wärmenden Frühlingssonne.

 

Auf allen Viren

 

Kartografie der Wolken_07 wollte die Blüten der Trauerweide unbedingt aus der Nähe sehen. 07 hangelte sich an sie heran, über unzählige Viren hinweg. Viren sind keine Lebewesen, aber sehr nah am Leben dran. Sie brauchen lebende Zellen als Wirtsleute, um sich zu entfalten. 07 hatte also nichts zu befürchten und erfreute sich an den Blüten der Weide.

 

Märchenschloss im Winter

 

Vom Dichter Wilhelm Hauff kennt man die Märchen vom kleinen Muck, Zwerg Nase, das Kalte Herz und vielleicht seinen Roman Lichtenstein. Fünfzehn Jahre nach der Veröffentlichung des Romans begann man das Schloss Lichtenstein zu erbauen. Inspiriert durch den Roman. Dornröschen hat man hier verfilmt. Die Hecke, die das Schloss umwucherte, war natürlich ein Trick. Kartografie der Wolken_07 versuchte sich an der realen Hecke. Aber selbst bei der war kein Durchkommen möglich.

 

Schweben im Blau

 

Auch vor den Stürmen der Zeit bewahrt der Himmel sein Blau. Kartografie der Wolken_07 hatte Sehnsucht und kletterte dem abendlichen Blau entgegen, in den Wipfel eines kleineren Baumes. Blau wirke kühl und meditativ auf die Menschen - wird behauptet. Für 07 schafft Blau Klarheit und Frische und eine friedliche Atmosphäre, die es an Zuhause erinnert.

 

Fasnet

 

Als das Fasten noch keine Empfehlung gegen Übergewicht war und die Kirche die Fastenzeit vor Ostern noch beaufsichtigte war die "Fast-Nacht" ein reines Ess- und Trinkgelage zum Aufbrauchen der von der Abstinenz betroffenen Nahrungsmittel. Erst viel später kamen Musik, Tanz und theatralische Elemente hinzu. Bis hin zur Totalvermummung und Maskierung, die bis heute die Fasnet prägen. Kartografie der Wolken_07 schaute auf die hölzernen Masken und konnte nicht erkennen, ob das Maskentragen Freude oder Last bedeutete.

 

Es wird wärmer

 

Im letzten Jahr entdeckte Kartografie der Wolken_07 die ersten Krokusse am 24. Februar. Diesmal musste 07 nicht so lange warten. Schon einen Tag vor Lichtmess war der Blütenteppich ausgerollt. Unsere Vorfahren müssen das auch schon häufiger erlebt haben, sonst hätten sie uns nicht die Bauernregel überliefert: Lichtmess im Klee, Ostern im Schnee.

 

An die Bäume im Winter

 

Gute Bäume, die ihr die starr entblätterten Arme

Reckt zum Himmel und fleht wieder den Frühling herab!

Ach, ihr müsst noch harren, ihr armen Söhne der Erde,

Manche stürmische Nacht, manchen erstarrenden Tag!

(Johann Gottfried von Herder, 1744 -1803)

 

Weite suchen

 

Mit einem Zitat im Sinn, passend zur heutigen Zeit, machte sich Kartografie der Wolken_07 auf den Weg, die Weite zu suchen. "Blickt auf die Weite, die Festigkeit, die Raschheit des Himmels und hört einmal auf, Wertloses zu bewundern." Das Zitat ist über eintausendfünfhundert Jahre alt. Stammt von Anicius Manlius Severinus Boethius, einem römischen Gelehrten. 07 fand es beunruhigend, dass über Jahrhunderte hinweg dieser Rat nicht verinnerlicht wurde, von den Menschen.

 

Dem Fachwerk entwachsen

 

Wir sind auch vom Fach, grummelten die Stifte, an die sich Kartografie der Wolken_07 lehnte, um sich umzuschauen. Egal wohin es blickte, Fachwerkhäuser ohne Unterbrechung. Friedrich Schiller, Johannes Kepler, Gottlieb Daimler, Hermann Hesse und viele andere Größen im Geist wurden in Fachwerkhäusern geboren. Vielleicht hat die Enge der Stuben dieser Häuser den Blick geschärft für das Entfernte, dachte 07.

 

An die große Glocke hängen

 

Kartografie der Wolken_07 hat mit einigen Redewendungen noch seine Schwierigkeiten. Als es nach unzähligen Stufen der Stiftskirche in Herrenberg endlich in der Glockenstube angekommen war, wollte sich 07 partout an die große Glocke hängen. Das war gar nicht so einfach. Denn die Glocken aus zehn Jahrhunderten sind alle noch aktiv. So hatte 07 genau zehn Minuten für sein Selfie - bis das umfangreichste Kirchengeläut Deutschlands wieder ausschlug. 

 

Neujahr

 

„Am Neujahrstage Sonnenschein lässt das Jahr uns fruchtbar sein.“ (Bauernregel)

 

Die Sonne schien den ganzen Tag. Trotzdem gelang es ihr nicht, das Diesige zu vertreiben. Es war frisch. Die Natur verhielt sich still. Kartografie der Wolken_07 traf in drei Stunden fünf Menschen. Die bewegten sich und sprachen, wie es Menschen tun, wenn sie vor einem Neugeborenen stehen. Ganz behutsam. Mit strahlenden Augen. Freundlich nickend. 07 ging so vor sich hin und dachte: Es wäre schön, wenn sich die Menschen dieses Gefühl für das neue Jahr bewahren könnten.

 

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© Robert Mühlheim