Er starb an einem Karfreitag. Sein Todestag ist verlässlich überliefert. Seine Werke werden noch heute bewundert. Und sonst? Hat sich das "Wissen" über den Künstler Raffaello Sanzio da Urbino im Laufe der Zeit mehrfach gewandelt. Verehrt wurde er schon zu Lebzeiten.

zum 500. Todestag

Selbstporträt, ca.1499, Kreide, 38 x 26 cm

?    -    06.04.1520

"Ich habe gefunden, dass man nicht denken darf, wenn man malt,

dann geht es besser."

(Raffaello Sanzio)

 

Sein Geburtstag ist nicht bekannt. Er wurde im Nachhinein auf den 6. April 1483 festgelegt. Er starb an seinem 37. Geburtstag. Macht sich gut in Büchern, Aufsätzen und Artikeln. Es gibt aber keinen Beleg dafür. Glaubt man Grossino, dem Römischen Gesandten der Herzogin von Mantua, der ihr den Tod von Raffaello mitteilte, so wurde der Maler nur 33 Jahre alt. 

 

Raffaellos Mutter starb als er ein kleiner Junge war. Vielleicht ist deshalb sein Geburtstag abhandengekommen. Der Vater, ein Maler, starb drei Jahre nach der Mutter, soll ihn aber als Kind in die Malereiausbildung eingeführt haben. Aufgezogen hat ihn sein Onkel Bartolomeo, ein Priester. Unklar ist, wie und wann der Junge nach Perugia kam. Sicher ist nur, dass er als Schüler in der Werkstatt von Pietro Vanucci, genannt Perugino, aufgenommen wurde. Sein malerisches Talent und Können waren bereits so ausgeprägt, dass er in seinem ältesten überlieferten Vertrag aus dem Jahre 1500 schon als Meister bezeichnet wird, also in einem Alter zwischen 13 und 17 Jahren.

 

Als sein erstes eigenständiges Gemälde wird Crucifixion von 1502 oder 1503 angesehen, heute bekannt als Londoner Kreuzigung, noch stark angelehnt an die Malweise seines Lehrers.

Crucifixion, 1502-03, Öl auf Holz, 281 x 165 cm

1504 ging Raffaello zum ersten Mal nach Florenz, um die Werke von Leonardo da Vinci (damals 52 Jahre alt) und Michelangelo (damals 29) zu studieren. Beide waren schon berühmt und ihre Arbeiten beeinflussten den jungen Raffaello zeitlebens. Er begann vor allem Madonnenbilder zu malen. Es gelang ihm sehr schnell seinen Ruf als "Madonnen-Maler" zu festigen. Sein berühmtestes Madonnengemälde, die "Sixtinische Madonna" malte er erst 1512/13. Da war er schon in Rom.

Sixtinische Madonna, 1512/13, Öl auf Leinwand, 256 x 196 cm

Papst Julius II. berief Raffaello im Spätsommer 1508 nach Rom, wo er die letzten zwölf Jahre seines Lebens verbrachte. Raffaello wurde zum bevorzugten Künstler zweier Päpste, zum Leidwesen Michelangelos.

Wie kann man sich als Künstler behaupten, wenn in der Nähe Leonardo da Vinci und Michelangelo arbeiten? Indem man anders ist. Im Vergleich mit den beiden entwickelte Raffaello einen ruhigeren Stil.

Leonardo rüttelte an Tabus, forschte, erfand, sezierte Leichen, baute Roboter, war ein Bücherwurm und malte auch. Er hat der Malerei das Lächeln geschenkt. Auf seinen Gemälden wird viel gelächelt. Im Leben hat er sich mitunter verzettelt. (Ein Bruchteil seiner Zettel wurde in eigenen Ausstellungen präsentiert.) Ihn interessierte alles. Er hat unendlich viel begonnen und nicht alles zum Abschluss gebracht. Selbst die Mona Lisa war für ihn nicht vollendet, als er starb. Raffaello verehrte Leonardo wie einen Vater und hat in seinem Fresko "Die Schule von Athen" den Kopf des Platon mit den Gesichtszügen Leonardos ausgestattet. Doch als Leonardo sich in Rom aufhielt, war Raffaello gerade zum Architekten von Sankt Peter berufen worden und hatte keine Zeit für den alten Mann.

Die Schule von Athen, Fresko, 1510 - 1511

Bei Raffaellos Ankunft in Rom hatte Michelangelo gerade mit der malerischen Ausgestaltung der Sixtinischen Kapelle im Vatikan begonnen. Eine schreckliche Aufgabe für einen Bildhauer, wie Michelangelo es sah. Aber endlich ein Werk, bei dem ihm der Papst die Freiheit einräumte, nach seinen eigenen Vorstellungen arbeiten zu können. Für Michelangelo war Raffaello eine Bedrohung. Er sah sein Ziel, die alten Meister der Kunst abzulösen, gefährdet und vermutete Sabotage. Der störrische Asket Michelangelo war ein melancholischer Einzelkämpfer, der sich bewusst als leidender Künstler selbst vermarktete, seine Entwürfe eifersüchtig behütete. Sein Verhältnis zu Leonardo war mehr als gespannt, dass zu Raffaello von Neid zerfressen.  

Raffaello war dagegen ein Menschenfreund, gutaussehend, sehr intelligent, elegant und eloquent - ein Netzwerker würde man heute sagen. Der seine Ideen in Kupferstichen vervielfältigen ließ. Nachdem Raffaello den Papst mit der Darstellung der "Disputa" überwältigt hatte, wurde ihm die Verantwortung für die Ausstattung ganzer Räume übertragen. Zwölf Jahre prägte Raffaello die Kunstproduktion im Vatikan maßgelblich. Als Michelangelo 1516 wieder nach Florenz ging, hatte Raffaello die unangefochtene Führungsrolle als Maler, Architekt und Denkmalschützer in der Ewigen Stadt.

Fazit: Leonardo wurde wertgeschätzt. Michelangelo ertragen. Raffaello gemocht. Unfassbar reich wurde nur Michelangelo.

"Die Zeit ist ein rachsüchtiger Bandit, der die Schönheit unseres früheren Selbst stiehlt."

(Raffaello Sanzio)

 

Gib dem Menschen eine Funktion und ihm fehlt die Zeit für das Wichtigste in seinem Leben. Im August 1515 ernannte Papst Leo X. Raffaello zum Kommissär der Antiken. Beabsichtigt war, Raffaello den Zugang zu allen Ausgrabungsstätten Roms zu ermöglichen, um Baumaterial aus dem archäologischen Erbe der Stadt für den Vatikan zu sichern. Stattdessen intensivierte Raffaello sein Antikenstudium, bereitete die Rekonstruktion des antiken Rom vor und wandte sich mit folgendem Brief an Leo X.:

"Heiligster Vater, es gibt viele, die ihr schwaches Urteil über das abgeben, was über die großen Errungenschaften der Römer geschrieben steht - die Heldentaten, die Stadt Rom und die wundersame Fähigkeit, die sich in Opulenz, Ornamentik und Größe zeigt ihrer Gebäude - sind zum Schluss gekommen, dass diese Errungenschaften eher Fabeln als Fakten sind. Ich habe jedoch Dinge immer anders gesehen - und sehe sie immer noch. Denn angesichts der göttlichen Qualität des Geistes der Alten, wie sie in den Überresten offenbart ist, die noch in den Ruinen Roms zu sehen sind, finde ich es nicht unangemessen zu glauben, dass vieles, was wir für unmöglich halten, ihnen außerordentlich einfach erschien."

Vieles von dem was im Rom aus der Antike bewahrt wurde, haben wir dem Denkmalschützer Raffaello zu verdanken. Seine eigene künstlerische Produktion hat darunter in seinen letzten Lebensjahren gelitten. Zunehmend konzentrierte er sich auf die Erarbeitung von Entwürfen und überließ die Ausführung häufig seinen Mitarbeitern.

Raffaello starb an einem Fieber. So viel steht wohl fest. Alles andere, was seinem Tod inzwischen nachgesagt wird stammt aus dem Reich der Fantasie. Es gibt keine Belege dafür, dass er an der Pest, Malaria oder der Syphilis gestorben ist, wie wahlweise behauptet wird.

 

Sein letztes Gemälde "Die Verklärung Christi" war für den Meister noch nicht vollendet, als er starb. Es zeigt einen epilepsiekranken Jungen während eines Anfalls vor seiner wundersamen Heilung durch Jesus Christ.

 

Die Verklärung Christi, 1920, Öltempera auf Holz, 410 x 279 cm

Zur Trauerfeier für Raffaello wurde "Die Verklärung Christi"

erstmals in der Öffentlichkeit gezeigt.

Beigesetzt wurde Raffaello im Pantheon in einem antiken Sarkophag mit der Aufschrift:

"Hier ist jener Raffaello, von dem die große Mutter der Dinge (die Natur) fürchtete übertroffen zu werden, so lange er lebte, und zu sterben, als er starb."

 

Die umfassendste Ausstellung zum Jubiläum mit 120 Raffaello Werken wurde am 6. März 2020 in den Scuderie in Rom eröffnet. Knapp 300 Journalisten waren aus aller Welt angereist, um darüber zu berichten. Drei Tage nach der Eröffnung wurde die Ausstellung wegen der Corona Pandemie geschlossen. Wieder eröffnet wurde sie am 2 Juni 2020 und erwartete Besucher bis zum 30. August.

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© Robert Mühlheim