Rede Koki van Trottens zur

Ausstellungseröffnung

Herzlich willkommen zur Ausstellung visit time. Ich freue mich, dass Sie hier sind. Ich freue mich, dass ich hier bin. Ich freue mich, dass meine Bilder hier sind.

 

Wenn man jung ist, denkt man, es geht immer so weiter. Und so weiter. Doch plötzlich hat man Fotoalben voll Vergangenheit.

Als ich noch jung war, habe ich in Berlin-Mitte gelebt, weil, ich wollte etwas erleben und nah am Puls der Zeit sein. Aber als ich dann ganz schön viel erlebt habe und auch nah am Puls der Zeit war, merkte ich, dass immer noch etwas fehlte. Ich begann Streifzüge durch die Stadt zu unternehmen und auf einem dieser entdeckte ich einen Friedhof. Erst war ich einfach nur erfreut über das Grün und die Vögel, doch dann bemerkte ich, dass es die Ruhe war, die ich dort fand, die mich an das erinnerte, wonach ich eigentlich auf der Suche war. Der Begriff Friedhof, Hof des Friedens, bekam auf einmal eine ganz andere Bedeutung.

 

Manche sagen, das Leben wird vom Tod oder von der Liebe angetrieben. Ich frage Sie: Was ist Ihnen wichtig? Was treibt Sie an? Eine Motivation, sagen Sie jetzt? Aber vielleicht steckt hinter dieser Motivation doch nur die Angst vor dem Tod oder die Sehnsucht nach Liebe.

Und wenn man sich nicht nur Fragen stellt wie: Was gibt es heute Abend zum Essen? Wohin fahren wir am Wochenende? sondern auch Woher komme ich? Wohin gehe ich? dann stößt man immer auch auf den Tod. Wie eine Sackgasse – das Leben endet tödlich. Nietzsche nannte die Menschen die „Bruderschaft des Todes … und dass diese einzige Gemeinsamkeit fast gar nichts über die Menschen vermag.“

Diese persönliche Verdrängung des Todes finden wir auch gesellschaftlich. Neben dem Jugendwahn und dem mangelnden Respekt vor dem Alter ist der Tod nirgends oder nur sehr wenig in der Öffentlichkeit sichtbar. Doch eine Gesellschaft, die den Tod verdrängt, kann nicht dem Leben zugewandt sein.

Jeden Tag kann uns eine schlechte Diagnose ereilen. Nur die Auseinandersetzung mit etwas und nicht die Verdrängung davon kann Erlösung bringen. Erst der Tod führt uns vor Augen, bewusst zu leben. Denn der Tod und das Leben sind eins. Der Tod ist keine Sackgasse! Vielleicht versteht man das erst, wenn man all seine 12 Sinne gebraucht.

Menschen am Ende ihres Lebens bereuen nicht die Fehler, die sie getan haben, sondern das, was sie alles nicht getan haben. Wir brauchen aber nicht erst eine schlimme Krankheit bekommen, sondern können uns schon heute entscheiden, bewusst zu leben und uns mit dem Tod versöhnen. Schreiben Sie einen Abschiedsbrief an sich. Wie könnte die Inschrift auf Ihrem Grabstein lauten? Was würde man auf der Grabrede über Sie sagen?

 

Friedhöfe sind einer der letzten magischen Orte in unserer Gesellschaft. Die einen rennen wie gesagt hastig an ihren Mauern vorbei, die anderen aber, die einen Friedhof betreten, fangen vielleicht nicht gleich zu schweigen an, aber sie sprechen und bewegen sich plötzlich mit mehr Bedacht. Diese Bedachtsamkeit in unseren Alltag zu bringen, ist mein Anliegen.

 

Das Bewusstsein, das der heutige Tag der letzte Tag sein könnte, soll uns aber nicht Angst machen, sondern uns die Möglichkeit geben, ihn zum schönsten Tag des Lebens zu machen.

Und so möchte ich Nietzsches Gedanken über den Tod noch etwas hinzufügen. Es ist nicht nur der Tod die einzige Gemeinsamkeit. Das, was uns alle eint, - egal welcher Religion wir angehören oder ob überhaupt einer - ist der Wunsch nach dem Glücklichsein.

 

Folgende Vorstellung habe ich irgendwo aufgeschnappt. Stellen Sie sich vor, jeder Mensch sind Sie. Jedem Menschen, dem Sie begegnen, ist eine Version von Ihnen; sind Sie in Verkleidung. Das würde sicher nicht Ihre Probleme lösen, aber es wäre ein Schritt weit dorthin, was sich Menschlichkeit nennt. Damit könnte Jesus` Liebe deinen Nächsten wie dich selbst Wirklichkeit werden.

 

Vielen Dank. 

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© Robert Mühlheim