Liebe Gäste des Hospiz´, liebe Mitarbeiter, liebe Angehörige,

ich begrüße Sie und bedanke mich, dass ich heute hier sein kann.

 

Wir wissen alle nicht, woher wir kommen, wir wissen nicht, wohin wir gehen. Das ist das große Menschheitsrätsel. Aber dass wir sind, das wissen wir. Jetzt und hier. Das Leben ist Gegenwart. Die Gegenwart hält 3 sec. So zumindest definiert die Physik die Dauer der Gegenwart. 3 x 21 bevor der nächste Moment eintritt und das Jetzt zur Vergangenheit wird.

 

In einer vom Kapitalismus und somit vom Konsum durchdrungenen Gesellschaft ist der Tod kein gutes Thema und auch die Liebe ist es nicht. Das eine bedeutet das Ende des Konsums, das andere bringt nichts ein. Doch beides macht das Leben aus, begegnet uns auf mannigfaltigster Weise. Denn der Tod ist allgegenwärtig. Ständig stirbt irgendetwas. Ein Moment, eine Erinnerung, eine Vorstellung, ein Wunsch, eine Körperzelle … sogar ein geliebter Mensch. Und auch die Liebe begegnet uns. Jeder Mensch liebt einen Menschen oder eine Erinnerung, eine Idee, ein Tier, seine Arbeit, irgendetwas, irgendwen.

 

Was also im gesellschaftlichen Kontext verdrängt wird, existiert im Persönlichen. Doch genau in diesem ganz und gar Persönlichen beginnt das Leben und die Auseinandersetzung mit dem Leben. Dies in Worte meiner Welt übertragen bedeutet, dass das Hinausgehen der Kunst über sich selbst ein Zurückgehen des Menschen in sich selbst ist. Novalis drückte es so aus: „Nach innen geht der geheimnisvolle Weg. Zu uns oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten.“

Die Gesellschaft das bin auch ich, das sind Sie. Sie, liebe Mitarbeiter, leisten Ihren Beitrag hier im Hospiz. So entsteht aber die Frage für mich: Welchen Beitrag kann ich leisten? Was kann ich tun, was geben?

Natürlich folgt meine Malerei einer Intention. Sinn und Trachten meiner Arbeiten ist die Wahrheitsfindung. Ich möchte das, was über unsere sinnliche Wahrnehmung hinausgeht sichtbar machen. Möchte dem Verborgenen in der Sprache der Malerei ein Bild geben. Ich werde nicht müde, daran zu erinnern, dass es mehr gibt, als das, was wir sehen und fühlen, und dass es sich lohnt, darauf zu vertrauen.

 

Ich höre oft von Betrachtern meiner Bilder, dass sie gleichzeitig etwas erkennen und nichts erkennen. Das freut mich, denn an dieser Schnittstelle von Erkennen und Nichterkennen kommt der Verstand nicht mehr mit. Dieses Lahmlegen des Verstandes ermöglicht ein Durchscheinen des Seins, des Wesentlichen. Dies kann der Moment sein, an dem wir eine Ahnung verspüren oder das Wissen in uns aufblitzt, dass es etwas außerhalb unserer Vorstellung gibt, das uns trägt und führt.

 

Aber ungeachtet all meiner Intentionen, geht es einfach darum, der Welt mit meiner Kreativität, ein Geschenk zu machen. Und da „die Welt“ ein sehr weitreichender Begriff ist, freue ich mich, diesem Hospiz, seinen Gästen, Mitarbeitern und Angehörigen ein Geschenk zu machen.

 

Eine Theorie besagt, dass unser Leben vom Tod oder von der Liebe angetrieben wird. Der Tod als  Sinnstifter unseres Lebens. Durch ihn erst erkennen wir die Vergänglichkeit allen Lebens und können uns entscheiden, bewusst zu leben. Doch der Tod ist nicht das Gegenteil von Leben. Der Tod ist das Gegenteil von Geburt. Das Leben hat keinen Gegenpart. Das Leben ist ewig.

 

Und so geht es letztlich gar nicht um mich. Nicht darum, dass eine Künstlerin einem Hospiz ein Geschenk macht. Sondern es geht um einen Ausdruck einer Erkenntnis. Ein Verständnis für die unserer Welt innewohnenden Einheit und der daraus resultierende Anteilnahme an eben dieser Einheit, diesem Ganzen. Denn wenn es Gegensätze gibt, muss es auch etwas geben, aus der diese Gegensätze entspringen. Khalil Gibran formulierte es so: „Und wie ein einzelnes Blatt nicht ohne das stille Wissen des ganzen Baumes vergilbt.“, so – das sage jetzt ich – sollten auch wir die Augen offen halten und aufeinander schauen.

In diesem Sinne: Willkommen in Köpenick, willkommen in der Nachbarschaft.

Vielen Dank.

 

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© Robert Mühlheim